GKV-Selbstverwaltungsstaerkungsgesetz

Der Staatskommissar steht immer vor der Tür: FVDZ-Vorsitzender Schrader sieht Fremdverwaltung und Abschaffung der KZVen

Das schon in verschiedenen Versionen kursierende Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums für ein „GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“ als „Lex KBV“ in den Selbstverwaltungsgremien von Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen bis hin zum Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sorgte für Proteste und erstaunliche Schulterschlüsse der Körperschaften. Jetzt liegt ein Referentenentwurf für das sogenannte GKV-SVSG aus dem Haus Gröhe vor.

Bestellung einer Person zur „Umsetzung und Überwachung von Aufsichtsverfügungen“

Im Kern sind die geplanten Strafmaßnahmen geblieben. Es ermöglicht für die Vollstreckung von Aufsichtsverfügungen gegen die Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KBV/KZBV) Zwangsgelder bis zu zehn Millionen Euro. Die Berichtspflicht wird erweitert, mindestens alle fünf Jahre muss eine unabhängige Prüfung der „Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung“ erfolgen. Die Aufsichtsbehörde soll zudem eine Person zur „Umsetzung und Überwachung von Aufsichtsverfügungen“ etc. bestellen können – damit steht der „Staatskommissar“ sozusagen immer vor der Tür.

Wenn die Wahl des Vorstandsvorsitzenden erfolglos bleibt

Der Staatskommissar kommt auch, wenn die Wahl des Vorstandsvorsitzenden erfolglos bleibt oder der Vorstand die weitere Geschäftsführung verweigert. Denn für die Wahl der Vorstandsvorsitzenden in KBV/KZBV soll eine Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen aus der Vertreterversammlung (VV) erforderlich sein. Der VV-Vorsitzende und seine Stellvertreter sollen aber weiterhin künftig mit „einfacher Mehrheit“ bei mit Tatsachen belegbarem „Vertrauensverlust/Pflichtverletzung“ abberufen werden können – eine Regelung, die besonders kritisiert worden war. Insgesamt sollen die VV-Sitzungen grundsätzlich öffentlich sein und immer offene Abstimmungen erfolgen. Die Aufsicht behält sich aber das Recht vor, Beschlüsse zu kassieren, wenn sie gegen Gesetze verstoßen.

Alles unter dem Deckmantel der der Stärkung der Selbstverwaltung

Der Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, ZA Harald Schrader, übte kurz vor der Hauptversammlung des Verbands diese Woche in Hannover starke Kritik am geplanten Gesetz, das ein „Fremdverwaltungsermächtigungsgesetz“ sei. „Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, bedeutet das de facto auch die Abschaffung der KZVen“, so Schrader. Hier werde unter dem „Deckmantel der Stärkung der Selbstverwaltung“ die „Fremdverwaltung eingeführt – erst ganz oben und dann geht’s nach unten durch“. Das Ministerium missbrauche die unlauteren Vorgänge in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, um diese Ermächtigung zu begründen.

Nun liegt er also vor, der Referentenentwurf zum „Gesetz zur Stärkung der Handlungsfähigkeit und Aufsicht über die Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der Gesetzlichen Krankenversicherung“, kurz GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz oder GKV-SVSG.

Wesentliche Änderungen gegenüber dem letzten bekannten Positionspapier gibt es kaum – erhöhte Berichts- und Kontrollpflichten, Einsetzen von Kontrollpersonen/Staatskommissaren durch die Aufsicht, Kassieren von Beschlüssen der Vertreterversammlungen, wenn diese nach Ansicht der Aufsicht gegen ein Gesetz verstoßen und nicht freiwillig zurückgenommen werden etc. sind weiter drin. Wird ein Vorstandsvorsitzender nicht künftig mit Zweidrittelmehrheit gewählt oder verweigert ein Vorstand das Führen der Geschäfte, soll ein Staatskommissar übernehmen.

Weiter drin ist auch die erleichterte Abwahl des Vorsitzenden der Vertreterversammlung und seiner Stellvertreter – ein Verfahren, das schon der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, in seinem Gastvortrag auf der Frühjahrs-VV der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung höchst plastisch beschrieben hatte. Er hatte damals alle betroffenen Körperschaften aufgefordert, im Schulterschluss gegen diese gesetzwerdenden Allmachtsansprüche der Aufsicht vorzugehen.

Anfang vom Ende der KZVen

Jetzt hat sich auch der seit einem Jahr im Amt befindliche Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Harald Schrader, deutlich gegen dieses Gesetz (Schrader: „Fremdverwaltungsermächtigungsgesetz“) gewandt und sieht darin den Anfang vom Ende der KZVen. Der Gesetzentwurf müsse zurückgezogen werden, es müssten Gespräche mit den Gremien der Selbstverwaltung aufgenommen werden.

Zusammenarbeit mit Spitzenorganisiationen intensivieren

Der FVDZ hatte sich ja schon mehrfach, zuletzt bei der Wahl Schraders vor einem Jahr in Bonn, die Aufgabe gestellt, die Zusammenarbeit des Verbands mit den politischen Spitzenorganisationen der Zahnärzteschaft wieder zu intensivieren – die frühere dritte Säule der zahnärztlichen Standespolitik hatte seit den Bremer Beschlüssen zur Hauptamtlichkeit in den KZVen doch arg zu bröckeln begonnen. Schrader wird in dieser Woche auf der Hauptversammlung des Verbands in Hannover unter anderem auch berichten müssen, wie weit der von ihm geführte Bundesvorstand in dieser Sache vorangekommen ist – bei einer auf nur zwei Jahre angelegten Amtszeit bleibt ihm bis zum nächsten Wahlkampf nicht mehr viel Zeit dafür, zumal in der BZÄK im November 2016 und in der KZBV im März 2017 ja schon Vorstandswahlen anstehen.

Staatsmedizin statt Freiheit

Gerade jetzt sollten sich alle Zahnärzte, alle politischen Verbände und Gruppen für ihre eigene Selbstverwaltung und gegen die Übergriffigkeit der Politik stark machen – selbst die, denen das Schicksal der KZVen eigentlich egal ist oder die sie sowieso eigentlich abgeschafft sehen wollen. Was dann kommen wird, macht Gröhes neuester Gesetzentwurf deutlich: Staatsmedizin, nicht Freiheit. Gegen diese massiven Eingriffe von außen in die ureigensten Belange der Vertragszahnärzteschaft, die noch weitere Kontrolle und das Beschneiden der Gestaltungsmöglichkeiten muss der Berufsstand möglichst geschlossen nach außen stehen.

Dass es intern in Kammern und KZVen noch immer viel zu diskutieren und zu verbessern gibt, ist an dieser Stelle schon wiederholt geschrieben worden. Schritte wie die jetzt in Bayern durchgeführte Befragung zum ehrenamtlichen Engagement und die daraus zu ziehenden Konsequenzen führen in die richtige Richtung. Viele wollen sich durchaus engagieren – nur die Rahmenbedingungen sind zu starr und müssen geändert werden. Denn es geht ja um die eigenen Belange, den eigenen Beruf – und noch haben es die Zahnärzte zumindest zum großen Teil noch selbst in der Hand, wie die Dinge ausgestaltet werden.

Quelle: dzw

GKV-Selbstverwaltungsstaerkungsgesetz

Das Bundeskabinett hat am 16 Januar 2017 den Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz) beschlossen.

Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hat eine Vielzahl von verantwortungsvollen Aufgaben zu erfüllen, um eine gute Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf sorgen wir dafür, dass die Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung künftig noch besser ihrer großen Verantwortung nachkommen können und vor Selbstblockaden geschützt sind. Das umfasst beispielsweise schlüssige Vorgaben für das Aufsichtsverfahren, klare Vorgaben für die Haushalts- und Vermögensverwaltung sowie eine Stärkung der internen Transparenzpflichten und Kontrollmechanismen

Der Gesetzentwurf sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Interne Kontrollmechanismen sind für eine funktionierende Selbstverwaltung von großer Bedeutung. Damit Kompetenzüberschreitungen und Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung frühzeitig erkannt werden können, sollen insbesondere die Kontrollrechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane gestärkt werden und die Transparenz im Verwaltungshandeln erhöht werden. Deshalb werden die Einsichts- und Prüfrechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane auch als Minderheitenrechte ausgestaltet und die Berichtspflichten des Vorstands gegenüber den Selbstverwaltungsorganen gesetzlich verankert; Es werden Regelungen zu Abwahlmöglichkeiten der oder des (stellvertretenden) Vorsitzenden der Selbstverwaltungsorgane aufgenommen.
  • Transparenz im Verwaltungshandeln stärkt die interne und externe Kontrolle. Deshalb werden auch die Regelungen in diesem Bereich geschärft. Dies betrifft zunächst die Erweiterung der Prüfungs- und Mitteilungspflichten in Bezug auf Beteiligungen an und die Gründung von Einrichtungen. Auch soll eine regelmäßige externe Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung anstelle der bisherigen Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit bzw. das Bundesversicherungsamt etabliert werden. Schließlich ist eine Verpflichtung zur Einrichtung interner Kontrollmechanismen vorgesehen, insbesondere eine Innenrevision, die festgestellte Verstöße auch an die Aufsichtsbehörde zu berichten hat.
  • Außerdem werden besondere Verfahren geregelt, die ein effektives aufsichtsrechtliches Instrumentarium zur Beseitigung von Rechtsverstößen vorsehen. Dies umfasst zunächst einheitliche Regelungen für besondere Fallkonstellationen, wie z.B. die aufsichtsrechtliche Durchsetzung von Satzungsänderungen oder die Aufhebung von rechtswidrigen Beschlüssen der Selbstverwaltungsorgane. Zudem wird ein zusätzliches aufsichtsrechtliches Instrumentarium zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands (entsandte Person für besondere Angelegenheiten) geschaffen.
  • Struktureller Weiterentwicklungsbedarf besteht bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu den Regelungen über den Vorstand. Es wird verpflichtend ein Vorstand mit drei Mitgliedern geregelt, dessen Vorstandsvorsitzender mit einer qualifizierten Mehrheit gewählt werden muss. Nur für den Fall, dass in den beiden ersten Wahlgängen keine qualifizierte Mehrheit zu Stande kommt, soll im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend sein. Eines der drei Mitglieder des Vorstands darf weder dem hausärztlichen noch dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören. Dies soll die notwendige
  • versorgungsbereichsübergreifende Interessenvertretung im Vorstand sicherstellen sowie die Akzeptanz des Vorstandsvorsitzenden stärken. Mit den vorgesehenen strukturellen Änderungen sollen die in der KBV bestehenden Konflikte zwischen den Versorgungsbereichen und die damit einhergehenden Blockaden aufgehoben werden.

Zudem werden mit dem Gesetz im Rahmen einer Angleichung einzelne Regelungen auf den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) übertragen. Soweit sich bestimmte Vorgaben aufgrund der besonderen Aufgabenstellung des G-BA und seiner von den anderen Selbstverwaltungskörperschaften abweichenden Organisationsstruktur für den G-BA nicht eignen, wurde dies berücksichtigt.

Die Regelungen sollen 2017 in Kraft treten. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit