Regulierung Freier Berufe in der EU

Zurzeit findet auf der europäischen Ebene eine Initiative auf die Zukunft der Freien Berufe statt, die auch auf die Gesundheitsberufe eine große Wirkung haben wird.

Am 11. Europatag von Bundeszahnärztekammer und Bundesverband der Freien Berufe e. V. in Berlin wurde die Risiken für die Freien (Heil-)Berufe auf europäischer Ebene diskutiert.

Die Europäische Kommission möchte das Wirtschaftswachstum in der EU ankurbeln, um den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise entgegen zu wirken. Deshalb prüft sie u. a. die Notwendigkeit berufsrechtlicher Vorgaben für Freie Berufe, um „ökonomische Barrieren“ abzubauen. Was dies konkret für die Freien (Heil-)Berufe bedeutet, wenn die Vorgaben zu Berufszugang und Berufsausübung aufgeweicht werden, diskutierten Experten auf dem 11. Europatag, der gemeinsam von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und dem Bundesverband der Freien Berufe e. V. (BFB) in Berlin durchgeführt wurde. Der Europatag analysierte die aktuelle Binnenmarktstrategie der Europäischen Kommission mit Blick auf spezielle Berufsgruppen, aber auch die Konsequenzen für Patienten und Verbraucher. Vertreter der Europäischen Institutionen, des Deutschen Bundestags, der Bundesregierung, der Wissenschaft und betroffener Berufsverbände erörterten die Zukunft der Freien Berufe.

Ziel der Binnenmarktstrategie ist die Vertiefung des gemeinsamen Binnenmarkts und der Abbau „ungerechtfertigter Regulierung“, zu der aus Sicht der Europäischen Kommission auch zahlreiche berufsrechtliche Regelungen Freier Berufe gehören. Auf dem Prüfstand stehen dabei vor allem die Bestimmungen zur Fremdkapitalbeteiligung, der interprofessionellen Zusammenarbeit, zu Rechtsformerfordernissen sowie zu Fragen von Gebührenordnungen in Form von Mindestgebühren, wie etwa GOÄ und GOZ.

BZÄK-Präsident kritisierte die rein ökonomisierte Betrachtung berufsrechtlicher Regulierungen: „Die Vorgaben zu Berufszugang und Berufsausübung haben viel wesentlicher den Schutz von Patienten oder Verbrauchern im Visier. Nur wer eine sehr spezifische Ausbildung, sprich Qualifikation nachweisen kann, darf z.B. Patienten behandeln. Natürlich ist dies eine Hürde, aber eine sehr wohlüberlegte, die auch die Qualität freiberuflicher Leistungen sichert“, so Engel.

Die Weiterentwicklung und Vertiefung des europäischen Binnenmarktes ist angesichts der anhaltenden Schulden- und Wirtschaftskrise in vielen EU-Mitgliedstaaten einer der politischen Schwerpunkte der amtierenden Kommission. Zu diesem Zweck will sie im Zuge der Binnenmarkstrategie in den kommenden Monaten 22 Initiativen auf den Weg bringen, um das Wirtschaftswachstum in der EU zu stimulieren. Zu den angekündigten Maßnahmen gehören neben dem Abbau berufsrechtlicher Regulierung unter anderem auch eine verstärkte Normierung von Dienstleistungen oder ein verbessertes Vergaberecht.

Bei einem regulierten Beruf wird durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt, dass die Berufsausübung nur erfolgen darf, wenn der Nachweis über eine bestimmte Qualifikation erbracht wurde.

Quelle: Bundeszahnärztekammer

Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission vom 18. Juni 2015: Anhörung am 19. August 2015

Die Regulierung des Berufszugangs und der Berufsausübung in den Freien Berufen ist bereits seit Längerem Gegenstand politischer Diskussionen auf europäischer Ebene und, davon abgeleitet, auch auf nationaler Ebene. Am 18. Juni 2015 hat die Europäische Kommission gegen Deutschland und gegen einige andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vertragsverletzungsverfahren zu bestimmten länderspezifischen Regulierungsvorschriften eingeleitet, die sie als nicht vereinbar mit der Dienstleistungsrichtlinie erachtet.
Das (federführende) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bereitet die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Vertragsverletzungsverfahren vor und führt hierzu am 19. August 2015 eine Anhörung durch.
– Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland betrifft die „verbindlichen Mindestpreisregelungen“ in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und in der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV); beide Vorgaben verletzen nach Auffassung der Europäischen Kommission die Anforderungen von Artikel 15 Absatz 1, Absatz 2 Buchstabe g und Absatz 3 der Dienstleistungsrichtlinie. Die Mindestsätze der HOAI und der StBVV erfüllen nach der Einschätzung der Europäischen Kommission die Bedingungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht.
– Der Deutsche Bundestag hat sich am 2. Juli 2015 anlässlich des derzeitigen Evaluierungsprozesses der Berufszugangsregelungen auf Grundlage der Berufsanerkennungsrichtlinie (sog. Transparenzinitiative) ausdrücklich zu den Freien Berufen bekannt (BT-Drs. 5217) und die Bundesregierung aufgefordert, „mit dem System der Kosten- und Honorarordnungen der Freien Berufe zu gewährleisten, dass weiterhin eine am Gemeinwohl orientierte Leistungserbringung sichergestellt und ein Preiswettbewerb auf Kosten der Qualität verhindert wird.“

1. Wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Freien Berufe wächst seit Jahren kontinuierlich
Die Freien Berufe sind ein Wachstumsbereich der Wirtschaft in Deutschland. Auf die Freien Berufe entfallen aktuell 10,1 Prozent des Brutto-Inlandproduktes in Deutschland.
Zum Jahresbeginn 2015 ist die Anzahl der Selbstständigen in den Freien Berufen um 3,5 Prozent auf 1.309.000 Personen gestiegen. Damit hat sich die Anzahl der selbstständigen Freiberufler seit Ende der 1990er-Jahre verdoppelt. Insgesamt – einschließlich der Angestellten und der Auszubildenden – sind aktuell knapp 4,8
Millionen Menschen in den Freien Berufen beschäftigt.
Gut 41.000 junge Menschen beginnen alljährlich ihre berufliche Ausbildung bei einem Freiberufler. In Summe gibt es 122.000 Auszubildende in allen Lehrjahren; der Anteil von Auszubildenden mit Migrationshintergrund liegt höher als in den anderen Bereichen der Wirtschaft.

Quelle: Freie Berufe